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02.05.2023

Kompetenz Ahrtal: Das Bauen von morgen

Wir beschäftigen uns seit gut einem Jahr (Stand Mai 2023) mit der Flutkatastrophe im Ahrtal und sind mit einigen Baumaßnahmen vor Ort vertreten. Dabei betrachten wir intensiv Themen wie Bauen im Bestand, Kreislaufwirtschaft, Umnutzung und Maßnahmen gegen Starkregen, sowie Prävention von Hochwasserereignissen. Doch welche Maßnahmen gibt es bei einem Neubau und wie ertüchtigen wir Bestand „wasserfest“?  

Viele Betroffene, die wir im Zuge unserer Bauaufgaben kennenlernten, wurden im Schlaf von den Wassermassen überrascht. Denn oft haben Gebäude und Grundstücke hinsichtlich Oberflächenwasser ungenügende bauliche Voraussetzungen: tief liegende Hauseingänge, ungünstige Gefälle, falsche Entwässerung oder gar Öffnungen unter Terrain – all das begünstigt ein Überfluten von Gebäuden. Dies in Kombination mit viel versiegelter Fläche erschwert dem Regenwasser darüber hinaus das Versickern ins Erdreich.

Widerstehen, anpassen, ausweichen

Für das hochwasserangepasste Bauen lassen sich drei mögliche Handlungsoptionen –widerstehen, anpassen und ausweichen – definieren, die mit gezielten Maßnahmen Schäden durch Hochwasser verhindern oder vermindern lassen. Beim Widerstehen wird das Hochwasser temporär mit Hilfe einer festgelegten Überflutungsstufe beim Eindringen in das Gebäude gehindert. Im Ahrtal beträgt diese Stufe HQ 100 und schützt Häuser bis zu einer Höhe von 1,80 bis 2,00 Metern. So kann der Hochwasserschutz als mobiles System mit beispielsweise einer Schottung angelegt werden, sodass das Stadtbild weitestgehend unverändert bleibt. Der modulare Aufbau ermöglicht den Schutz auch größerer Öffnungen und eine einfache und schnelle Montage. Sollten die Vorkehrungen nicht ausreichen, haben wir die Wohnräume darüber hinaus so konzipiert, dass alle Schlafräume in den Obergeschossen liegen. In einigen unserer Entwürfe haben wir Anbauten oder höhergelegte Terrassen ergänzt. Um dieses zusätzliche Verdrängungsvolumen auszugleichen, werden auf dem Grundstück Zisternen zum Wassersammeln ergänzt.

Beim Konzept Anpassen wird nicht gegen das Wasser angekämpft, sondern eine planmäßige Überflutung zugelassen. So haben wir das Erdgeschoss an einem Ort, wo eine öffentliche Nutzung sinnvoll ist, um diese ergänzt und das Wohnen, sowie die Hautechnik in die Obergeschosse verlegt. Der vorhandene Keller wird als Überflutungsbecken umgenutzt.

Beim Ausweichen wird das Gebäude höhergelegt und so vor Überflutung geschützt. Zum Ausweichen gehört auch der Verzicht auf eine Unterkellerung und die Verlagerung der Schlafräume in die oberen Etagen. Um die ggf. verlorene Fläche zu kompensieren, haben wir intelligente Grundrisse entworfen, die eine schnelle Umnutzung an neue Gegebenheiten ermöglichen und setzen beispielsweise stadtbildprägende Gauben ein, um die vorhandenen Flächen optimal auszunutzen.

Hochwasserschutz CYRUS.ARCHITEKTEN Frankfurt Bremen

Aus der Not wird eine Tugend

Was in unserer Baubranche noch schleppend unter dem Namen Kreislaufwirtschaft voran geht, wird im Ahrtal alltäglich gelebt. Um Ressourcen und Kosten zu sparen, werden Materialien aufbereitet und neu eingesetzt. Auch wir gehen diesem Prinzip nach und setzen z. B. aufbereitete Ziegelsteine oder Fenster wieder ein und nutzen bestehende Untergeschosse als Überflutungsbecken um. Wir haben bei den von uns betreuten Neu- und Umbauten Wert daraufgelegt, keine zusätzlichen Obergeschosse zu ergänzen, um weiterhin ein homogenes Stadtbild zu erzeugen. 

„Unsere Strategie besteht darin, nur das zu entfernen, was baufällig ist, um so viel wie möglich im Ortsbild zu erhalten.“ – Oliver Cyrus

Städtebauliche Eingliederung CYRUS.ARCHITEKTEN Frankfurt Bremen
Eingliederung in das Ortsbild

Wir können mit unseren Projekten punktuell Maßnahmen ergreifen, um Gebäude zu schützen. Doch nicht nur Starkregenereignisse werden in Zukunft zunehmen, sondern auch Hitze- und Trockenperioden. Das Wasser, welches zeitweise im Überfluss vorhanden ist, kann im nächsten Moment kurz und knapp werden. Diese Anpassung an den Klimawandel bedingt frühzeitige und integrale Planung aller Akteure. Besonders im Überflutungsgebiet wurde uns jedoch das Ausmaß an versiegelter Fläche bewusst. Breite Park- und Straßenflächen für den Tourismus, führen zu Flächen, die keinerlei Wasser aufnehmen bzw. zurückhalten können, bevor es in Kanalisationen und Abwassersysteme geleitet wird.

Wir müssen uns bewusst machen, dass wir als Gesellschaft gemeinsam Verantwortung tragen, um den Klimawandel zu bekämpfen und uns auf solche Ereignisse vorzubereiten. Mehr dazu finden Sie auch in der gemeinsamen Podcast-Folge von JUNG Architecture Talks – Der Podcast für Architekten zusammen mit den Moderatorinnen Dijane Slavic und Nicole Heptner sowie Oliver Cyrus und Patrik Westphal.

Fotos: CYRUS.ARCHITEKTEN

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